Studierende mit Behinderungen

bdeckblatt

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ISBN: 978-3-7392-2104-5

Inhalt

Dieses Buch hat das Ziel die Situation behinderter und chronisch kranker Studenten an Universitäten und Hochschulen zu verbessern. Es soll den Betroffenen, den Behindertenbeauftragten und dem Lehrpersonal helfen zu einem besseren Verständnis der Situation zu kommen, denn es beschreibt die möglichen Probleme.

Zuerst wird das Thema Behinderung angesprochen, denn es gibt wesentlich mehr behinderte Menschen wie man sich vorstellt. Viele von ihnen werden im Alltag nicht als Behinderte erkannt. Durch die Beschreibung der Personengruppe wird verdeutlicht, welche Vielfalt hinter diesem Begriff steht und welche gravierenden Probleme diese Menschen zum Teil haben. Diese werden auch in dem folgenden Kapitel mit dem Thema „Behinderung und Gesellschaft” angesprochen. Dann folgen die gesetzlichen Regelungen, Hochschulgesetze und ein Kapitel über den Nachteilsausgleich. Dabei wird auf durchgeführte quantitative Studien aus der Literatur verwiesen, aber es wird auch ein Fallbeispiel und seine Folgen dargestellt. Im letzten Kapitel über die Behindertenbeauftragten stelle ich noch eine Recherche, die mit Hilfe des Internets durchgeführt wurde und die Ergebnisse einer kleinen Befragung vor.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
2 Was ist eine Behinderung?
2.1 Definition
2.2 Wie viele Behinderte gibt es?
2.3 Personengruppe
2.3.1 Die Körperbehinderten
2.3.1.1 Die cerebrale Bewegungsstörung
2.3.1.2 Spina bifida
2.3.1.3 Epilepsie
2.3.1.4 Chronische Erkrankungen
2.3.1.5 Körperliche Fehlbildungen
2.3.1.6 Traumatisierte Personen
2.3.2 Blinde und Sehbehinderte, Hörgeschädigte und Sprachbehinderte
2.3.2.1 Blinde und Sehbehinderte
2.3.2.2 Hörgeschädigte
2.3.2.3 Sprachbehinderte
3 Behinderung und Gesellschaft
3.1 Die Belastung der Betroffenen
3.2 Reaktionen im Umfeld
4 Integration
5 Gesetzliche Regelungen
6 Behinderung und Studium
7 Der Nachteilsausgleich
7.1 Was versteht man unter einem Nachteilsausgleich?
7.2 Die Situation in der Praxis
7.3 Fallbeispiel: Ein abgelehnter Antrag auf Nachteilsausgleich und seine Folgen
8 Die Behindertenbeauftragten
8.1 Die Behindertenbeauftragten an Universitäten und Hochschulen
8.1.1 Zusammenfassung der Ergebnisse der Befragung
8.2 Die Behindertenbeauftragten der Landesregierungen
9 Zusammenfassung
10 Literatur

Leseprobe

Fallbeispiel: Ein abgelehnter Antrag auf Nachteilsausgleich und seine Folgen

Es handelt sich um einen Widerspruchsbescheid. Beantragt worden war im ersten Antrag statt die in der Prüfungsordnung vorgesehenen mündlichen Prüfungen schriftliche Prüfungen durchzuführen. Ein Attest des Arztes lag vor, in dem die Notwendigkeit aus gesundheitlichen Gründen bestätigt wurde.

Im ersten Bescheid auf diesen Antrag heißt es:

„1. Nach jeweils 15 Minuten Prüfungszeit in den mündlichen Prüfungen in Erziehungswissenschaft von in der Regel 45 Minuten und im Wahlpflicht- und Beifach von jeweils 30 Minuten wird Ihnen eine Pause von bis zu 15 Minuten gewährt.

2. Der Prüfungszeitraum wird bei jeder mündlichen Prüfung um bis zu 15 Minuten verlängert.

Grundlage für den Bescheid ist die Prüfungsordnung des Diplomstudiengangs Erziehungswissenschaft vom 27.10.2006, in welcher keine Nachteilsausgleichsbestimmungen für Behinderte verankert sind. § 16 Satz 4 Hochschulrahmengesetz (HRG) regelt die besonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung ihrer Chancengleichheit bei Prüfungen. In § 36 Nr. 4 Landeshochschulgesetz (LHG) wird „die Verlängerung von Prüfungsfristen für Studierende mit Behinderungen“ gewährt.

§ 15 Abs. 3 HRG und § 32 Abs. 3 LHG verweist darauf, dass „zum Nachweis von Studien- und Prüfungsleistungen ein Leistungspunktesystem geschaffen werden soll, das die Gleichwertigkeit der Prüfung gewährleistet.“ (Prüfungsamt XXX 2009)

Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch eingelegt, da eine Pause in einer mündlichen Prüfung kein Ausgleich eines Nachteils ist, wenn mündliche Prüfungen aus gesundheitlichen Gründen nicht abgelegt werden können.

Darauf im Widerspruchsbescheid:

„ Der Widerspruch ist zulässig. Er ist aber nicht begründet. Durch den Bescheid werden Sie nicht in Ihren Rechten verletzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid ist Ihnen aufgrund des ärztlichen Attestes eine Erleichterung in den nach der Prüfungsordnung des Diplomstudienganges Erziehungswissenschaft vom 27.10.2006, zwingend vorgeschriebenen mündlichen Prüfungen gewährt worden. Sie begehren nunmehr eine andere, und zwar in der Prüfungsordnung nicht vorgesehene Prüfungsleistung, nämlich den Ersatz der mündlichen Prüfung durch eine schriftliche Leistung.

Darauf gibt es keinen Anspruch. Im Gegenteil, Erleichterungen dürfen nur in der jeweils vorgeschriebenen Art der Prüfungsleistung gewährt werden. Einen Austausch sieht die Prüfungsordnung nicht vor. Auf eine mündliche Prüfung darf nicht verzichtet werden.“ (Prüfungsamt XXX, 2009)

Der Bescheid kostete 60 Euro und es wurde darin auf die Möglichkeit einer Klage beim Verwaltungsgericht XXX hingewiesen, die aber nicht eingereicht wurde. Statt dessen wurde das Studium abgebrochen. Die finanziellen Möglichkeiten reichten weder dazu sich auf eine Klage einzulassen, noch das Studium an einem anderen Ort an einer anderen Hochschule weiterzuführen. Dies wäre auch mit zusätzlichen Kosten verbunden gewesen.

Auf die rechtliche Seite möchte ich hier nicht eingehen, ich bin keine Juristin. Zuerst möchte ich Spitzer zitieren aus seinem Buch „Lernen – Gehirnforschung und die Schule des Lebens“:

„Ob wir es wollen oder nicht – wir lernen immer.“ (Spitzer 2003, S. 19)

Was lernt man aus einem solchen Bescheid? Vielleicht, dass sich der bisherige Aufwand im Studium trotz guter Beurteilungen nicht gelohnt hat, aber dazu später.

Allerdings ist es nur schwer nachzuvollziehen, wieso eine mündliche Prüfung nicht durch eine schriftliche ersetzt werden kann. Denn Ingenkamp und Lissmann schreiben dazu im Lehrbuch der Pädagogischen Diagnostik:

„Im heutigen Bildungssystem sind mündliche Prüfungen die am weitesten verbreitete Leistungskontrolle.“ (Ingenkamp/Lissmann 2005, S. 137)

Aber diese Prüfungen sind die am wenigsten erforschte Form der Leistungskontrolle. Prüfungen werden abgehalten um den Lernerfolg zu kontrollieren. Das Prüfungsritual der mündlichen Prüfung ist sehr stark Angst besetzt. Hier ergibt sich der Widerspruch, dass durch die Angstauslösung eine angemessene Leistungsmessung bei der mündlichen Prüfung verhindert wird (vgl. Ingenkamp/Lissmann 2005, S. 137, 138).

Eine mündliche Prüfung kann als Belastung empfunden werden. Dazu schreibt Bauer in „Prinzip Menschlichkeit“:

„Belastungen im zwischenmenschlichen Kontakt haben neben einer Dämpfung der Motivationssysteme immer auch eine Aktivierung von Stressgenen zur Folge. 60“ (Bauer 2008, S. 67)

Mündliche Prüfungen haben aber auch eine geringe Objektivität, Reliabilität und Validität. Interessant ist auch, dass in einer Untersuchung von Hartog und Rhodes derselbe Prüfling von unterschiedlichen Prüfern verschieden beurteilt wurde. Nach früheren Untersuchungen sind daher die mündlichen Prüfungen weder objektiv, noch zuverlässig und gültig (vgl. Ingenkamp/Lissmann 2005, S. 139).

Wer zum Beispiel an einer Störung in der Stress- und Schmerzverarbeitung leidet, für den sind mündliche Prüfungen durch die mögliche Stressbelastung ein Gesundheitsrisiko.

Hier noch meine persönliche Meinung zum Thema mündliche Prüfung: Die mündlichen Prüfungen werden meistens nicht per Video oder mit Hilfe eines Diktiergerätes aufgezeichnet, es existiert nur ein Protokoll. Im Protokoll ist der wortgenaue Prüfungsablauf aber nicht festgehalten, denn auf den Protokollanten bezogen passiert dabei folgendes: Nur ein kleiner Teil der vorhandenen Informationsmenge aus der Umwelt wird vom Gehirn weiterverarbeitet. Diese ankommende Information, also auch die Informationen, die der Prüfling während der Prüfung den Prüfern mitteilt, wird sozusagen im Gehirn der Prüfer „entkleidet“ und durch deren im Gehirn vorhandenen Informationen verändert und angereichert. Die Bewertung dieser Informationen, also was davon wichtig ist oder nicht, erfolgt im Gehirn durch das limbische System, das eng mit der Gefühlwelt verknüpft ist (vgl. Vester 2007, S. 91).

Da also nicht jede aus der Umwelt eintreffende Information genutzt wird, sondern nur ein Bruchteil von ihr, wird wohl jedes Prüfungsprotokoll irgendwie lückenhaft sein (vgl. Vester 2007, S. 90).

Wenn die mündliche Prüfung nicht durch ein Medium aufgenommen wird, kann auch der Ablauf nicht mehr wortgenau rekonstruiert werden.

Deshalb findet man bei Ingenkamp/Lissmann im Lehrbuch der pädagogischen Diagnostik auch den folgenden Satz:

„Was jedoch ohne Verlust an Information schriftlich überprüft werden kann, sollte auch schriftlich überprüft werden.“ (Ingenkamp/Lissmann 2005, S. 141)

Wenn schon eine mündliche Prüfung zwingend vorgeschrieben ist, dann sollte sich der Prüfer intensiv darauf vorbereiten und es sollte eine möglichst unabhängige Beurteilung durch mehrere Beurteiler erfolgen (Ingenkamp/Lissmann 2005, S. 142).

Aber auch die schriftlichen Prüfungsarbeiten kommen in der Forschung nicht viel besser weg. Sie entsprechen den Gütekriterien sozialwissenschaftlicher Messung nicht. Die schriftlichen Prüfungen sind ebenfalls nicht hinreichend objektiv, zuverlässig und valide. Das Urteil über den Inhalt einer schriftlichen Prüfungsarbeit wird beeinflusst durch ihre äußere Form, die Reihenfolge der Beurteilungen und die vorhandenen Informationen über den Prüfling (vgl. Ingenkamp/Lissman 2005, S. 142, 143, 154, 155).

Immerhin sind hier dann nach der Prüfung noch Unterlagen vorhanden, denn der Prüfling hat sein Wissen in schriftlicher Form festgehalten.

Und nun zur Diagnostik im tertiären Bildungsbereich, also in den Hochschulen. Dort wird sie beim Hochschulzugang, als Beratungsdiagnostik vor und während des Studiums und zur Ermittlung des Lernerfolgs im Studium eingesetzt. Auch hier überwiegen nicht die objektiven Verfahren und die traditionellen mündlichen und schriftlichen Prüfungen nehmen auch hier den größeren Teil ein. Wenn man die Situation allerdings mit den anderen Bildungsbereichen vergleicht, so werden hier doch viel häufiger objektive Tests eingesetzt (vgl. Ingenkamp/Lissmann 2005, S. 259, 271).

Noch problematischer ist die Leistungsmessung bei Behinderten. Hier greifen nicht einmal objektive Tests, da diese zur Leistungsmessung bei Nichtbehinderten konstruiert wurden. Dies dürfte für den gesamten Bildungsbereich gelten. Haupt (1996) hat sich mit den Problemen bei der Diagnostik und Förderung körperbehinderter Kinder beschäftigt. Sie beschreibt dabei die Probleme bei der Durchführungsobjektivität von Intelligenz- und Leistungstests bei behinderten Kindern…. -> zum Weiterlesen bitte Buch kaufen!